"Herr ich werde älter, erhalte mich liebenswert.“ Das ist die Überschrift zu einem Text eines unbekannten Verfassers. Und sie hat mich angesprochen. Älter wird ja jeder von ganz allein (selbst Kinder werden jeden Tag älter), aber liebenswert zu bleiben, das ist eine große Kunst. Das erfordert jeden Tag Überwindung und Selbstdisziplin, denn liebenswert wird man nicht von ganz allein, sondern nur durch ständige Übung.
"Bewahre mich vor der Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen." So heißt es in dem Text weiter. Und mal ehrlich: Wie oft versuchen wir, anderen Menschen "zu helfen" und wollen dabei doch nur unsere eigenen Vorstellungen durchsetzen, weil wir so oft meinen, besser zu wissen, was für andere gut ist. Dabei haben wir doch wahrlich genug mit uns selbst zu tun und sollten uns lieber um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern.
"Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden. Sie nehmen zu und die Lust sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr." Wer macht beim Älterwerden nicht die Erfahrung, dass die Beschwerden und Wehwehchen zunehmen. Sich Krankheitsschilderungen anderer anzuhören ist keine Freude, aber man kann lernen, sie geduldig zu ertragen.
Der anonyme Verfasser bittet dann um Bescheidenheit und die wunderbare Weisheit, dass er sich irren kann. Er möchte kein Heiliger sein, aber liebenswert erhalten bleiben.
Zum Schluss heißt es: "Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken und verleihe mir, Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen. Amen." Wie selten entdecken wir an anderen Menschen positive Eigenschaften, weil wir uns selbst so wichtig nehmen und immer denken, dass wir es am besten können. Und wie selten drücken wir einmal Lob und Anerkennung für die Leistungen anderer Menschen aus. Aber wie sehr freuen wir uns, wenn jemand unsere Handlungsweise lobt!
Dieser Text kann uns zum Nachdenken anregen und vielleicht sogar zum Liebenswerter-Werden!