Verwittert und farblos sehen sie aus, die Dachsteine auf dem Glauer Hof. Immerhin haben diese Ziegel schon 100 Jahre das Haus vor Regen und Schnee geschützt. Was sind es nun für Dachsteine? In einem Bericht in der Tonindustrie-Zeitung aus dem Jahr 1902 wird in einem Artikel unter der Überschrift „Bei den schlesischen Zieglern und Töpfern“ Näheres berichtet.
Die Oberlausitz, ein Kohlerevier, bot gute Voraussetzungen für den Aufbau einer Tonziegelindustrie. Neben dem sogenannten Abraum, der über der Kohle liegt und große Tonablagerungen (Kohleton) enthielt, waren zwei wichtige Voraussetzungen ortsnah vorhanden: Kohle (Energie) und Ton (Rohstoff).
Beides veranlasste den Unternehmer A. Dannenberg Versuche mit der Herstellung von Dachsteinen zu unternehmen. Sie wurden in sogenannten Ringöfen gebrannt. Die Versuche verliefen erfolgreich, so dass die Ringöfen immer größere Ausmaße annahmen. Wurden bis 1881/82 ausschließlich Mauerziegel hergestellt, so forderte die fortschreitende Industrialisierung des 19. und 20. Jahrhunderts auch die Ausweitung der Bautätigkeit und damit einen Beitrag der Baustoffindustrie.
Der Betrieb von A. Dannenberg wuchs. Es wurde auch eine Produktionsstätte bei Liegnitz (Schlesien) eröffnet. Dort wurden hauptsächlich Biberschwanzdeckungen gefertigt. Schließlich wurde die Firma so groß, dass sie sich in die „Schlesische Dach-Falz-Ziegel- und Chamotten-Fabrik Akt.-Gesellschaft vorm. A. Dannenberg“ umwandelte. Mit Produktionsstätten in Kodersdorf und Liegnitz wurde schließlich eine Kapazität von 750.000 m² Dachsteinen jährlich erreicht. Die Rohlinge wurden handwerklich durch Mitarbeiter hergestellt und anschließend im Brennofen gehärtet. Viel Handarbeit gepaart mit weniger Maschinenarbeit waren die Regel.
Das Werk in Kodersdorf hatte eine sehr beachtliche Größe und produzierte auch zu DDR-Zeiten Ziegel. Erst die Wende setzte dem Werk ein Ende. Es wurde stillgelegt. Heute ist der Komplex weitgehend ungenutzt.
In Kodersdorf (Oberlausitz) wurden auch Muldenfalzziegel, wie sie auf dem Dach des Glauer Hofs liegen, gefertigt. Über die gute Bahnanbindung wurden diese Baustoffe auch in einem größeren Radius verschickt.
Aus Gründen des Denkmalschutzes muss die bestehende Dachdeckung des Glauer Hofs erhalten bleiben. Das Abdecken der Dachflächen muss sehr sorgfältig erfolgen, damit möglichst viele Dachsteine später wieder verwendet werden können. Erfahrungsgemäß entsteht jedoch eine gewisse Bruchquote. Sie muss durch Dachsteine gleicher Art ersetzt werden. Zudem sollen die an das Hauptgebäude angrenzenden beiden Seitenflügel – einer davon muss erst neu gebaut werden – ebenfalls mit den Kodersdorfer Dachsteinen gedeckt werden. Übrigens: Die Dachsteine tragen auf ihrer Unterseite die Prägung des Herstellers „Kodersdorfer“.
Um nun fehlendes Ziegelmaterial zu bekommen, hat die „Glauer Hof – Inklusion leben gGmbH“ einen Aufruf gestartet. Gehört wurde er bisher in der Gemeinde Lausitz. Am 12. Januar 2022 rückten Helfer aus der Friedensstadt an und bargen ca. 3.500 Dachsteine (rund 200 m² Deckfläche) zusammen mit Helfern der Gemeinde Lausitz von einem bestehenden Gebäude. Die Dachsteine wurden anschließend in die Friedensstadt transportiert. Gastfreundlich umsorgt wurden die Helfer während der Arbeiten von Geschwistern der Gemeinde Lausitz. Dafür sei allen herzlich gedankt.