Wenn ich mich momentan so unter uns Kirchenmitgliedern umblicke, was natürlich nur virtuell möglich ist, dann haben viele Freundinnen und Freunde meiner eigenen Kinder gerade die Schallmauer vom halben Jahrhundert durchbrochen. Gemeint ist das Lebensalter 50++. Gemeint ist damit aber auch ein Generationssprung. Bisher ging man davon aus, dass eine Generation durchschnittlich 25 Jahre umfasst – von der Geburt eines Elternteils bis zur Geburt eines Kindes. Diese Generationsabstände verändern sich natürlich, je nach Betrachtungsweise, ob man biologische oder soziologische Umstände betrachtet. In unserem Fall bleibe ich einmal bei 25 Jahren, das rechnet sich auch leichter. Vergleicht man das Lebensalter anschaulich mit Gebäuden, denen man den Zustand, das Erscheinungsbild, die Verwendbarkeit, den Status und die Ausstrahlung ansieht, ergibt es eine Parallele zu unserem St.-Michaels-Heim und uns Menschen. Wenn man die oben erwähnte Generation 50++ heranzieht, dann hat diese bei ihrer Geburt eine entscheidende Phase verpasst, nämlich den Umbau des St.-Michaels-Heimes von einer Teilruine zu einem Kirchenzentrum, in welchem sie in einen Lebensmittelpunkt ihres Glaubens hineinwuchsen. Eine Tageszeitung in Berlin schrieb drei Jahre vor der Fertigstellung:
„Berliner Kurier“ 1964: Ein Haus fand seine Bestimmung, ein guter Geist kehrt wieder ein: „Das Palais, das zwischen den Jahren 1898 bis 1908 von Hofbaurat Ihne – auch als Schöpfer der Staatsbibliothek Unter den Linden bekannt – gebaut wurde, ist 1943 bei einem Fliegerangriff stark zerstört worden. Vorher diente es als Gästehaus der Deutschen Reichspost, nachdem der Erbauer der Berliner Bankier Franz von Mendelssohn enteignet wurde. Nach dem Krieg war eine englische Schule in der Teilruine des ursprünglich im englischen Landhausstil erbauten Palais Mendelssohn untergebracht.“ Die Johannische Kirche kaufte nach langer Suche geeigneter Kirchenräume dann 1957 dieses 23.000 qm große Grundstück nebst Ruine. Und so sahen wir dann unser zukünftiges Zuhause: mit Hanglage zum See, vereinzelte Schornsteinfragmente, verwilderter Garten, aber mit eigenen Räumlichkeiten für Kirche und Gemeindeleben.
Oberbaurat Dipl.-Ing. Hans Georg Heinrich hat dann behutsam den Stil des Ganzen gewahrt. Wer jetzt die nachfolgenden Bilder sieht, kann sich nicht vorstellen, wie eine Kirchengemeinde in „Schutt und Asche“ versank, denn alle Gottesdienste, Zusammenkünfte innen wie außen, fanden trotzdem statt.
Der jetzige Kirchentrakt wurde bis auf die Grundmauern abgetragen, man sieht hier nur noch Wände innerhalb des Kirchenflügels stehen.
Besonders interessant ist die Dach-konstruktion. Zwei Giebelketten werden zueinander versetzt, so eingehängt, dass zwei Dachetagen unabhängig entstehen. Der weniger gut erhaltene Teil der Villa wurde abgerissen und neu gebaut, der andere blieb bestehen, um so eine vernünftige Kombination zwischen alt und neu zu erzielen. Während des Umbaus fanden dann die Gottesdienste in einem Provisorium statt, einer Holzbaracke am Seeufer, wo heute der Kinderhort steht.
Die Begeisterung der Geschwister war mit einem immensen Arbeitseifer gekoppelt. An dieser Stelle soll mit einer Reminiszenz an die heute weit über 100 Jahre alten Geschwister gedacht werden, die zu Lebzeiten nicht nur die Kirchengründung 1926, die Verbotszeit der Kirche, Kriegszeit und Wiederaufbau der Kirche hautnah miterlebt hatten. Nun war ihre Generation wieder gefordert. So fanden sich hochbetagte Kirchenmitglieder zusammen, Männer wie Frauen, die Bausteine klopften und Abrissmaterial sortierten, das später gewinnbringend mit mehreren 10.000 DM verkauft werden konnte. Diese Generation hatte ihre Trauringe zum Aufbau der Friedensstadt gegeben, die später den Namen: „Die Stadt aus Trauringen“ im Volksmund führte. Nun hatten sie 1954 wieder „Bausteine“ (s.u.) gekauft, um damit ihren Kindern, einen Schlüssel zur Friedensstadt zu finanzieren. Diese Generation war damals schon lange 75+++.
Keinesfalls soll hier der Eindruck entstehen, dass sich die eingangs erwähnte Generation 50+ „ins gemachte Nest“ gesetzt hat. Die enormen Aufgaben für den Werterhalt des Grundstücks und der Gebäudesubstanz sind beträchtlich. Dazu kommen auch der Erhalt und die Fortführung der immateriellen Güter. Ausschließlich über Spenden finanziert sich die Johannische Kirche. Viele Initiativen und Ideen sind für die Ausgestaltung eines lebendigen Kirchenlebens notwendig. Der Abriss des Wirtschaftsflügels bis auf die Grundmauern war notwendig, weil die Kriegszerstörung extrem war. Für die heutige Unterbringung der Wirtschaftsräume z.B. Küche, Restaurationsbetrieb, und Hotelzimmer sind von der ehemaligen Architektur nur die im Erdgeschoß verblieben.
Der Kirchenflügel mit den anschließenden unterirdischen Wirtschaftsräumen, Ver- und Entsorgung etc. sind im Erdaushub deutlich sichtbar.
Inzwischen sind noch viele Bauten dazugekommen: Kindertagesstätte, Hort, Kleinstheim, Arztpraxen, Hofladen und der Standort für die Sozialstation.
Robert von Mendelssohn besuchte mit seiner Gattin und Tochter 1961 sein ehemaliges Elternhaus und trug sich in das Gästebuch ein: „Es ist für mich eine große Freude, dass mein Elternhaus eine so schöne Bestimmung gefunden hat.“ Seine Gattin Liselotte fügte dann ergänzend zu: „Ja, ein guter Geist ist wieder in dieses Haus eingekehrt.“
In einem DVD-Video: „Vom Palais zur Kirche“ wird diese Umbauzeit von einer Villa in der Villenkolonie Grunewald hin zu einem Kirchenzentrum der Johannischen Kirche erlebbar. Ab Mai ist es dann auch in der Mediathek der Kirche abzurufen. Unter armin@mattstedt ist diese DVD bestellbar, oder in der Rezeption des St.-Michaels-Heim zu erwerben. Ferner ist im Verlag Weg und Ziel das Buch: „Das Palais Mendelssohn“ vom Autor Valerian Arsène Verny erschienen, das sich auch der Villenkolonie und dem Palais widmet.