Am 24. März 2021, nachmittags, tritt unsere Bundesregentin vor die Bundes-pressekonferenz und gesteht einen unverzeihlichen Fehler und sie übernimmt die alleinige Verantwortung für einen Tage zuvor unterlaufenen kapitalen Fehler. Einmalig in ihrer Regentschaft sind diese klaren Worte.
Was war geschehen? Steuererhöhungen zurückgenommen? Kriegserklärungen annulliert? Nichts davon. In einer sogenannten MPK (Ministerpräsidentenkonferenz) sollte unter ihrer Leitung dem deutschen Volk ein Einkaufstag, der Ostersamstag, verwehrt werden. Für Millionen Hausfrauen brach eine Welt zusammen, weil sich in der Karwoche jetzt alles drängte, Millionen Kinder sahen ihre Schokoeier in der Ostersonne dahinschmelzen, weil ein Ausgangsverbot in der sog. „Osterruhe“ drohte. Millionen Familien beratschlagten ihr Einkaufsverhalten vor Ostern, trafen Vorsorge für einen reibungslosen Ablauf im Supermarkt. Hunderttausende Firmen mussten plötzlich ihre Lieferketten überdenken...
Und dann stellt sich unsere Regentin ein paar Tage später hin und spricht von einem Fehler, weil diese „Osterruhe“ von ihr nicht durchdacht war und sie vorschnell die „Osterruhe“ verkündete, obwohl stundenlange Beratungen zur Eindämmung der Pandemie mit ihren Länderfürsten vorausgegangen waren. Diese Osterruhe sollte die Inzidenzen, also die Fallzahlen der Corona-Infizierten, senken helfen. In der abendlichen Feierstunde desselben Tages schlagen wir die Bibel auf und lesen im Sirach, Kapitel 9, Vers 24: „Von weisen Regenten“. Darin ist die Rede: „Das Werk lobt den Meister, und einen weisen Fürsten ehrt weise Rede. Es ist gefährlich, wenn ein Schwätzer regiert, und wer redet, bevor er denkt, der erntet Hass.“ Wir mussten doch etwas schmunzeln, weil Sirach nun mit dieser Passage das Geschehen des heutigen Nachmittags kommentierte.
In der dann aufkommenden Diskussion haben wir uns danach Jesus Sirach etwas näher betrachtet, weil seine Ausdrucksweise manchmal drastisch, wenig elegant, aber bei Problemstellungen sehr häufig den Nagel auf den Kopf traf.
Wir haben uns dann mal schlau gemacht: Jesus Sirach gehört zu den sog. Spätschriften des Alten Testaments. Das Buch ist nach seinem Autor benannt, der um 190/180 v. Chr. in Jerusalem die hebräische Urfassung niederschrieb. Als Lehrer in einer Philosophenschule entstand so eine Art Lehrbuch für die damalige Zeit, weil es auch sehr praktische Ratschläge enthält und die Themen Ehe, Familie und Freundschaft aufgreift.
Im Judentum galt dieses Buch nie als heilige Schrift, weil es mehr als Grenzgänger zwischen Religionen und Konfessionen galt. Martin Luther entfernte das Buch Sirach aus dem Alten Testament und ordnete es unter die Apokryphen ein. Bei diesen besteht Uneinigkeit, ob inhaltlich oder religionspolitische Gründe zur Entstehung dieser Schriften führte.
Mir ist aus meinem Konfirmationsunterricht bekannt, dass unser Kirchengründer Joseph Weißenberg immer darauf achtete, dass in einer angeschafften Bibel auch die Apokryphen enthalten sind Sirach stattet die Frau in seinen Schriften mit Weisheit der ägyptischen Göttin Isis aus. Obwohl meines Erachtens im Buch Sirach der Eindruck entsteht, dass er dem weiblichen Geschlecht mehrheitlich ambivalent gegenüberstand.
Ob bei seinen Schriften „Isis“ die Göttin der Geburt, der Wiedergeburt und der Magie oder ihre Weisheit Pate stand, ist nur zu vermuten. Bei seinen, für heutige Begriffe zeitnahen Empfehlungen, wie z.B.: „Warnungen vor wilder Leidenschaft“ oder „Warnung vor Unrecht“, „Warnung vor Ehrgeiz“, „Von den Pflichten des Hausvaters“ sind seine Hinweise zwar schon 2200 Jahre alt, aber doch irgendwie allgegenwärtig.
Unmittelbar unter dem obigen Vers „Von weisen Regenten“ heißt es aber auch im Buch Sirach: „Warnung vor Überheblichkeit.“ Dort ist zu lesen, dass man seinem Nächsten seine Missetat nicht anrechnen und ihn niemals von oben herab behandeln soll. Beherzigen wir das auch immer? Das Buch Sirach ist kein Buch mit „Sieben Siegeln“, das Buch Sirach ist ein Buch, was deutliche Sprache spricht, einfach zu verstehen und „up to date“ ist. Damals wie heute sind menschliche Schwächen allgegenwärtig, man bekommt den Eindruck, dass diese Unzulänglichkeiten in 2200 Jahren nicht weniger wurden. Jesus Sirach, immer wieder lesenswert und – gelegentlich auch zum Schmunzeln.