Eine Zeitreise

Gemeindebrief
von Norbert Teschke
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Der altrömische Gott Janus, der Gott mit den zwei Gesichtern, bei den Römern auch als der Gott des Anfangs und des Endes bekannt, findet sich in unserem Monat Januar wieder. Er sollte die Menschen daran erinnern, in die Vergangenheit zu sehen, um aus dieser für die Zukunft zu lernen.

Schon die Steinzeitmenschen bauten Monumente, um die göttliche Natur zu verehren. Riesige Megalithen, Tonnen schwer, wurden zusammengestellt, um den immer wieder kehrenden Kreislauf des Jahres darzustellen. Die Ägypter schufen einen Kalender mit den Daten der Nilschwemme und mit der Beobachtung der Himmelskörper. Die Mayas fassten astronomische Ereignisse in eine solche Zeitrechnung zusammen.

Allen gemeinsam ist, dass die Menschen das Göttliche der Zeitrechnung verehrten und diese für so wichtig erachteten, dass sie die Zeit in ihr Leben einbauten.

Auch in der Bibel finden wir Zeitangaben. Besonders in der Zeit vor der Sintflut gab es Altersangaben, die für uns unvorstellbar sind: Methusalem soll 969, Adam 930 und Henoch 365 Jahre alt geworden sein. Im 90. Psalm wird das allgemeine Lebensalter jedoch mit für uns realistischen 70 bis 80 Jahren genannt.

In der heutigen Zeit wird weltweit die Geburt Jesu als Beginn unserer Zeitrechnung verwendet.

Die Geburt des Heilands wird somit zum Beginn einer Zeitenwende für die Christen der Welt erachtet, denn nach der christlichen Lehre hatte Gott seinen Sohn als Erlöser auf die Erde gesandt.

Immer wieder, so lesen wir es in der Bibel, waren zuvor Propheten auf die Erde geschickt worden, um die Menschen auf einen Gott gefälligen Weg zu bringen. Jedoch selbst das auserwählte Volk Israel vermag nicht, das Gesetz Gottes, die zehn Gebote, einzuhalten. Von Menschen gemachte Vorschriften verwässerten die göttlichen Vorgaben. Die Einfachheit der Worte wurde zu einer viel zu komplizierten Aneinanderreihung von Texten, die den Menschen unverständlich waren. Wenn eine Wirkung erreicht wurde, so war es die Angst vor der Priesterkaste, nicht jedoch die Liebe zu Gott.

Lasst uns eine kleine Zeitreise machen zu diesem bedeutungsvollen Jahr Null unserer Zeitrechnung. Eine kleine Familie kommt spätabends in Bethlehem an. Sie suchen eine Übernachtungsmöglichkeit, denn die junge Frau ist hochschwanger. Nirgends finden sie eine Herberge – vielleicht, weil sie etwas ärmlich aussehen und einen anderen Dialekt sprechen – doch ein kleiner Stall wird ihnen als Unterkunft schließlich gegeben. In dieser kargen Hütte gebärt die Frau ihr erstes Kind. Noch völlig erschöpft, hören die jungen Eltern ein Klopfen. Drei alte, weise, reich gekleidete Männer bitten um Einlass, um den neu geborenen König der Juden zu begrüßen. Ihnen folgen einige arme Hirten. Die Weisen waren einem Stern gefolgt, die Hirten einer Erscheinung auf dem Feld.

Friedlich, ohne den Standesunterschied wahrzunehmen, knien sie gemeinsam vor dem Kind und geben Gott und seinem Gesandten die Ehre. Und wir dürfen dabei sein!

Drei Jahrzehnte später hören wir einem Mann am Jordan zu. Dieser Prediger steht im Wasser und ruft die Menschen zur Umkehr auf. Sie sollen ihr Leben ändern und versuchen, den Geboten des Sinai zu folgen, nicht den vielen Vorschriften der Priesterkaste. Trotz seines völlig abgemagerten Körpers spricht er mit lauter und eindringlicher Stimme vom nahenden Reich Gottes, bis er verstummt. Alle, die es gewollt hatten, hatte er getauft. Zu diesem jungen Mann jedoch spricht er: „Ich bin nicht genug, die Riemen deiner Schuhe zu lösen!“ Der junge Mann besteht aber darauf, von Johannes getauft zu werden. Dieser folgt seinem Wunsch. Daraufhin tut sich der Himmel auf, eine Taube erscheint und man kann, so man Glauben hat, deutlich hören: „Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe!“ Und wir dürfen es hören!

Ein paar Jahre später finden wir uns in Jerusalem wieder. Die Stadt ist voller Menschen, da zum Ende der Woche das jüdische Passah-Fest begangen werden sollte. Vor dem Sitz des römischen Statthalters ist ein Aufruhr. Es geht um die Freilassung eines Gefangenen. Die Menge möge entscheiden, ob Pontius Pilatus den Straftäter Barabbas oder Jesus aus der Haft entlassen soll. „Barabbas! Barabbas!“, schreien sie. Und sie übergeben damit den völlig unschuldigen Jesus den Römern zur Kreuzigung. Aber was hatte er verbrochen? Er hatte den Menschen die Hoffnung auf einen liebevollen Vater im Himmel gegeben. Er hatte Menschen an Leib und Seele geheilt. Er hatte den Pharisäern und Schriftgelehrten den Spiegel vor das Gesicht gehalten, in dem sie die egoistischen und selbstgerechten Menschen sahen, die sie in Wirklichkeit waren. Und er hatte allen das Gebot der Nächstenliebe verkündet und vor allem danach gelebt. Wir begleiten den Zug nach Golgatha, wir sehen, welches Leiden und welche menschlichen Schmerzen er für die Sünden der Welt ertragen muss, wir hören ihn sagen: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ und entdecken die junge Frau Maria, die ihn einst geboren hatte, mit nur einem seiner engsten Vertrauten, Johannes, der seinem Meister bis in den Tod getreu folgt. Unser Glaube lässt uns dieses Erlebnis ertragen!

Vor unserem inneren Auge erscheint Jesus dann wieder – nun als der Erlöser, der Christus Gottes, wahrer Mensch und wahrer Gottessohn, der zu Ostern auferstanden ist. Unsere Reise durch die Zeit führt uns nun in ein kleines Dorf namens Fehebeutel im Jahr 1855. Am 24. August wird ein kleiner Junge in ärmlichen Verhältnissen geboren. Aus seiner Kindheit wissen wir, dass er als Vierjähriger einen todkranken Mann heilt und als Junge seinen Mitschülern das Pfingstwunder erklärt, indem er durch sie Geistwesen sprechen lässt. Ein Hellgesicht Jesu veranlasst ihn, nach Berlin zu gehen und dort Menschen zu helfen durch die Heilung ihrer körperlichen und geistigen Gebrechen. Widerstände durch staatliche Organisationen, kirchliche Vertreter und die Ärzteschaft halten ihn nicht auf. Im Gegenteil! Immer mehr Menschen beginnen ihm zu vertrauen, denn er entzündet in der Zeit der größten materiellen Not die Kerze der Hoffnung neu. Und er lässt Geistfreunde reden durch den Mund seiner Beauftragten. Hatte nicht Jesus Christus diesen Geist der Wahrheit und Liebe in seinen Abschiedsreden angekündigt? War wieder ein so einfacher Mensch Werkzeug Gottes geworden? Joseph Weißenberg äußerte sich selbst nur wenig zu seinem Auftrag, doch er sprach davon, dass sein Tun nicht aus ihm heraus erfolge, sondern aus einer Kraft, die durch ihn arbeite. Und er sprach die für uns alle Richtung weisenden Worte: „Mein Werk ist umsonst, wenn die Liebe nicht größer wird.“ Dies ist ein zeitloser Auftrag an die Menschen der Welt. Seine Bereitschaft, als Werkzeug Gottes und als Diener der Liebe zu handeln, kann jedem Menschen ein Vorbild als Nachfolge sein. Vor seinem Heimgang am 6. März versicherte er uns, dass er auch aus der ewigen Heimat wirken wird, sogar stärker.

Unmerklich haben wir eine Reise durch die Zeit gemacht, vom Berg Sinai über Jesus Christus zu Joseph Weißenberg. Wir haben auch unseren Weg vom Alten über das Neue bis zum Dritten Testament beschritten, der uns nun im Jetzt angekommen sieht.

Wir haben Rückschau gehalten und dürfen mit unserem freien Willen das, was für unseren Lebensweg wichtig und richtig ist, mitnehmen in die Zukunft.

In drei Testamenten haben wir von Christus und seinen Vertretern lernen dürfen, wie ein Gott gefälliges Handeln aussehen kann, mit welcher Hingabe und Bereitschaft zum Dienst im Weinberg Gottes sie sich auf das Leben in der ewigen Heimat vorbereitet haben.

Lasst uns versuchen, das Gute aus der Vergangenheit zu bewahren und mit auf den Weg zu nehmen, vorwärtswandern mit seligem Schritt und uns in froher Gemeinschaft dem Himmelsdom zu nähern von Zeit bis in die Ewigkeit!