Diesen Satz habe ich vor einiger Zeit von einem in die Friedensstadt Zugezogenen gehört und immer wieder geht er mir durch den Kopf und es stellen sich mir viele Fragen:
Ich weiß keine Antworten, aber ich habe versucht mir vorzustellen, wie das ist. Man hat einen neuen Lebensabschnitt, vielleicht auch eine neue Aufgabe und entscheidet sich, in die Friedensstadt zu ziehen – mit Freude und auch mit ein bisschen Bammel, Respekt und Aufregung. Aber mit der Erinnerung an dieses schöne Friedensstadtgefühl der vielen Pfingstfeste und Kirchentage, an die Fülle und das freudige Miteinander im Tun, Sprechen, Singen, Beten und Feiern.
Und dann zieht man um und es kommt der Alltag. Nur drei Reihen besetzt in der großen Gottesdiensthalle, alltäglicher Umgang: „zum Gruß“, und das nicht ganz so freudige Miteinander der 24 geistigen Linien, die hier zusammengewürfelt sind. Nicht dass der liebe Gott würfelt, nein, aber die Verschiedenartigkeit der Charaktere und auch der Vorstellung und Erwartung, wie es hier zu sein hat, ist schon enorm! Und da verstehe ich besser den Stoßseufzer: Friedensstadt ist nichts für Anfänger! Vielleicht braucht es ein Stück Lebenserfahrung auch an anderen Orten, um alles einzuordnen, sich nicht die Zuversicht nehmen zu lassen und dennoch zu frohem Schaffen bereit zu sein.
Fragen kann man sich ja grundsätzlich: Wo und was ist Friedensstadt? Dabei fällt mir sofort die Aufschrift des Jugend T-Shirts und Pullis ein: Friedensstadt ist überall! Also überall auf der Welt, wo es ein Zusammenkommen von Menschen gibt. Es kann ein Dorf, eine Arbeitsstelle, eine Familie oder eine Bootsbesatzung sein. Ein begrenzter Bereich, indem bestenfalls eine Gemeinschaft lebt, die den Frieden oder den Namen Friedensstadt oder Friedensort anstrebt.
Das ist ja auch unsere Überschrift, die der Erbauer der Stadt, Joseph Weißenberg sicher nicht zufällig gewählt hat. Der Titel ist unser Auftrag, egal, ob wir in Glau wohnen oder nicht. Wir wollen diesem Frieden im Titel gerecht werden. Es ist überall schwer, die vielen Verschiedenartigkeiten auszuhalten und auszugleichen, sie gar als Reichtum anzusehen und mit Herz und Güte damit umzugehen. Denn jeder meint es auf seine Art gut, hat aufgrund seiner Erfahrungen eine Meinung und glaubt, damit im Recht zu sein. Es knirscht und kriselt auch deshalb, weil wir alle nicht gleichgültig, sondern engagiert sind, das Beste für die Sache wollen und dabei das Pferd von verschiedenen Seiten aufzäumen wollen. Da helfen nur Absprachen und der feste Glaube an den guten Willen des Anderen.
Man kann auch über den Anfänger mal anders nachdenken: Warum keine Anfänger? Was macht denn einen Anfänger aus? Er ist neu in diesem Bereich, hat noch wenig bis keine Erfahrungen gemacht und Enttäuschungen erlebt und geht dadurch vielleicht etwas gutgläubig und naiv an die Sache heran. Was ihn auszeichnet ist vielleicht auch, sein Bemühen zu lernen, sein erstmal Schauen, wie machen es die anderen, und durch das nicht lang Gewohnte ein neuer Blick, eine andere Idee. Ich habe in meinem Beruf Praktikanten (also Anfänger) meist als Bereicherung empfunden. Ihre Fragen haben mir oft etwas neu bewusst gemacht. Das Erklären, Begleiten und dann zusammen Tun hat mich manches Mal bereichert und Neues für den Patienten gebracht.
Also nehmen wir dem Anfänger den negativen Touch und werden alle immer wieder Neuanfänger im Sinne von lernbegeistert, offen für Neues, Loslassen von alten Erfahrungen und Verletzungen, mit neugierigem und achtsamen Blick und einem stärkenden Umgang miteinander. So werden Menschen, die zu uns ziehen auf eine einladende Gemeinschaft treffen und die Friedensstadt kann weiter wachsen.
Auch für die kommende Kirchentagswoche gilt: Friedensstadt ist überall und…. Wir sind alle Erfahrene und auch immer wieder Anfänger auf dem Weg zu Friedensboten seiner Liebe!