Gärtnerei: „Lieber Olli, du hattest von jeher ein besonderes Interesse an Bäumen. Kann man sagen, dass du dein Hobby zum Beruf gemacht hast?“
Oliver: „Genau, nach abgeschlossener Ausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel und ein paar Jahren im Betrieb habe ich gemerkt, dass das nicht meine Lebensperspektive ist und bald darauf einen Einstieg in die Baumpflege gemacht. Seit 2005 bin ich mit einer eigenen kleinen Firma für Baum- und Bodenpflege selbstständig tätig.“
G: „Das SMH und der Park liegen dir sehr am Herzen und man könnte sagen, dass du zu „unserem“ Baumpfleger geworden bist, der die Baumkontrollen- und pflegemaßnahmen mit weiteren engagierten Kolleg: innen durchführt und uns mit viel Fachwissen unterstützt. Nun musste leider Ende Januar eine stattliche Rotbuche am Rande der großen Terrassenwiese notgefällt werden. Was war der Grund dafür und wie seid ihr dabei vorgegangen?“
O: „Seit 2005 habe ich bereits darüber Kenntnis und das damals auch dokumentiert, dass der Baum einen Brandkrustenpilz im Stammfuß hat. In einer der ersten Fortbildungen, die ich gemacht habe, war ich bei Claus Mattheck, dem Entwickler der VTA bzw. Visual-tree-Assessment-Methode, einer rein visuellen fachlichen Baumkontrolle. Dort habe ich die Buche schon mit dem Brandkrustenpilz zur Sprache gebracht, was von der Fachseite eine ziemlich deutliche Fällungsentscheidung mit sich gebracht hat. Der Brandkrustenpilz kann bei Wurzelverletzungen und Rindenschäden in den Baum eindringen und sich durch Wurzelkontakt auch auf umliegende Bäume übertragen. Er zersetzt nicht nur totes, sondern auch lebendes Holz, zerstört das Wurzelwerk des Baumes und gefährdet durch Moderfäule im Inneren des Baumes die Standsicherheit. Dabei ist der Brandkrustenpilz erstmal sehr unauffällig nach außen hin; er bildet keine Pilzfruchtkörper in großer Form aus, ist deswegen wahrscheinlich auch lange „unter dem Radar“ geblieben und dass die Rotbuche noch so lange gestanden hat, ist recht herausragend.
Trotz Totholzbildung im Kronenbereich und deutlicher Stammwunde war immer unklar, wie der Baum wirklich im Inneren aussieht. Man kann ja nicht hineinschauen, sondern nur nach der visuellen Kontrolle entscheiden, und es gab genug Hinweise darauf, dass man eine eingehende Untersuchung durchführen muss. Dafür gibt es als Möglichkeiten die Schalltomographie und die resistographische Bohrung. Wir haben uns für die Resistographie entschieden, bei der man mit einer 3 mm starken Nadel den Eindringwiderstand ins Holz misst. Das zersetzte oder vom Pilz umgewandelte Holz hat dabei einen anderen Bohrwiderstand als das gesunde Holz, woraufhin Restwandstärken des Baumes beurteilt werden können.
Der Baum wurde im Januar nah über dem Wurzelhals, also in Bodennähe, an drei Stellen gebohrt. Die Ergebnisse waren leider ziemlich katastrophal und ergaben 2-3 cm Restwandstärke an zwei Stellen. Der Baum hätte nur erhalten werden können, wenn die Krone so stark reduziert worden wäre, dass die Schadstelle im Stamm wieder statisch tragfähig wäre. Eine so starke Reduzierung der Krone ist aber bei einer Rotbuche ausgeschlossen, weil auch das, kurz gesagt, wiederum zu ihrem Tod geführt hätte.
Der Baum hätte rechnerisch mit seiner drei Meter langen, offenen Stammwunde 16,8 cm Restwandstärke rundherum haben müssen, anstatt der 16 cm an seiner stärksten Stelle, um reduziert und langfristig erhalten werden zu können − das steht alles auch so im Gutachten (Anm.: Kann in der Gärtnerei eingesehen werden). Daraufhin kam es zu einer Fällungsentscheidung, die zudem sehr kurzfristig umgesetzt werden musste, da der Baum als Gefahrenbaum einzuschätzen war. Zu demselben Ergebnis ist auch die untere Naturschutzbehörde (Anm.: Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf, Umwelt-und Naturschutzamt) gekommen, die auch eine sofortige Fällgenehmigung erteilt hat.
Im Vorfeld der Fällung wurde eine artenschutzrechtliche Prüfung vorgenommen, die ergab, dass keine Ersatzhabitate geschaffen werden mussten, weil die Habitate im Baum alle noch in der Entwicklungsphase waren und noch nicht als Brutraum für Fledermaus, Vogel, Käfer etc. nutzbar gewesen wären.
Aufgrund der nicht mehr vorhandenen Standsicherheit des Baumes musste er mit einer Arbeitsbühne gefällt werden, anstatt per Seilklettertechnik. Es wurden große Kronenteile bis zum Stammansatz abgeseilt und mittels Radlader verräumt. Der Stamm wurde in kleineren Stücken abgeworfen, was mit geringen Schäden am umliegenden Boden erfolgen konnte, das Stammholz auf einen Anhänger verladen und in mehreren Touren auf den Vorplatz gefahren. Der gesamte Baum wurde von mir auf ein Gewicht von 8-10 t eingeschätzt. Das Holz wurde vom Vorplatz von einem Selbstladekran aufgenommen und aufgrund des Pilzbefalls entsorgt.“
G: „Hätte es eine Möglichkeit gegeben, den Baum zu heilen?“
O: „Der Baum hätte nicht vom Pilz geheilt werden können und es war auch nicht möglich, ihn zu erhalten. Bäume funktionieren nicht wie Menschen, denen bei Verletzungen Pflaster aufgeklebt werden und Stellen wieder verheilen. Sie versuchen Schadstellen selbst durch neu gebildetes Holz zu überwallen. Sie können im Holzkörper auch pilzhemmende Stoffe einsetzen, so dass Schadstoffe oder Schadpilze im günstigsten Fall abgeschottet und vom weiteren Wachstum oder weiteren holzzerstörenden Prozessen abgehalten werden. Dafür muss der Baum es schaffen, schneller eine adäquate Menge Holz aufzubauen, als der Schadpilz es abbaut, um statisch stabil zu bleiben. Der Baum war aber fortgeschritten vom Pilz zersetzt worden, vermutlich auch aufgrund seines fortgeschrittenen Alters von 100 -120 Jahren und weiteren ungünstigen Faktoren.
Mittlerweile gibt es vielversprechende Forschungsergebnisse über eine Pilzgattung, die im Frühstadium des Befalls als Antagonist gegen andere, holzzersetzende Pilze eingesetzt werden kann. Damit wird jetzt wohl der Wurzelraum und umliegende Boden noch versuchsweise behandelt werden, damit der Brandkrustenpilz sich möglichst nicht weiter in der Parkanlage ausbreitet.“