Renate Steinhagen erinnert sich

Gemeindebrief
von Erinnerungen von Renate Steinhagen, Bearbeitung Christiane Sternsdorff und Team
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Nach dem Heimgang meines Vaters im Jahre 1959 war meine Mutter mit mir und unserer Gastwirtschaft in Schöneberg plötzlich allein. Schwester Friedchen, das Oberhaupt der Johannischen Kirche bot ihr an, die entstehende Gastronomie im neu erworbenen St.-Michaels-Heim in Berlin-Grunewald zu übernehmen. Das war ein guter Vorschlag, Mutter sagte zu. Dann aber kamen zahlreiche Hürden, die zu überwinden waren. Die Schöneberger Wirtschaft musste verkauft werden, und dabei sollte noch ein guter Preis erzielt werden, denn es gab viele Verbindlichkeiten. Die Abwicklung zog sich daher in die Länge.

Und es gab auch weitere Bewerber für die entstehende Gastronomie, die ja auch bald an den Start gehen sollte. Im Nachhinein betrachtet kann ich nur sagen: Es war Führung! Es konnten keine besser geeigneten Menschen gefunden werden als Karin und Walter Schätzle, die diese Gastronomie in ihre Hände nehmen und mit unermüdlichem Fleiß deren Auf- und Ausbau vorantreiben sollten. Später sollte diese Entscheidung auch Ausrichtung für mein Leben sein.

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1970 erkrankte meine Mutter an Multipler Sklerose, und als es langsam zum Lebensende ging, bat sie Schwester Friedchen, sich nach ihrem Heimgang um mich zu kümmern. So kam die Steinhagen ins Rollen!

Schwester Friedchen meinte, dass das St.-Michaels-Heim das Richtige für mich wäre. Es gab ein Treffen mit Walter Schätzle, bei dem die beiden die Zusammenarbeit zwischen ihm und mir aushandelten. Eigentlich war klar, dass weder er noch ich das so richtig gut fanden. Aber Schwester Friedchen wollte es, und es musste versucht werden. Mein wichtigster Wunsch war, dass ich nicht mehr an der Theke arbeiten wollte. Und wo fand ich mich wieder? Genau da.

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Es dauerte sehr lange, bis ich die heiligen Hallen der Küche betreten durfte! Um es mit Hildegard Knef zu sagen: Von nun an ging’s bergauf! Ich habe meine Kochlehre nachgemacht und ein Jahr später auch die Küchenmeisterprüfung abgelegt und dabei so ganz nebenbei meinen (späteren) Mann Wolfgang kennengelernt.

Walter Schätze war es irgendwann leid, meine Bemühungen zu ignorieren, so wurde ich dann seine Vertretung. Mein ganzer Ehrgeiz war, irgendwann einmal den „Frommen Löffel“ 1 zu übernehmen. Wir waren ein schlagkräftiges Team und haben Tag und Nacht gearbeitet, um alle Aufträge zu erfüllen. Es hatte sich herumgesprochen, dass wir preiswert und gut waren. Natürlich war unser größtes Pfund die schönen und vielfältigen Möglichkeiten, die das St.-Michaels-Heim an Räumlichkeiten zum Feiern und für Tagungen im Angebot hat. Dabei kam aber nicht nur Freude auf; viele Kirchenmitglieder und Gemeindeleiter fühlten sich ausgesperrt – es war doch ihr Haus! Es gab viele Diskussionen, jeder musste mal zurückstehen, denn die Einnahmen wurden auch gebraucht.

Die Zeiten … Eigentlich hätte es immer so weitergehen können. Ich hatte meinen Platz erobert. Ich war glücklich mit Wolfgang, der Sous-Chef in der Stadtküche Nöthling war. Dort hatte auch Walter Schätzle einmal gearbeitet, das Unternehmen war eine der besten Catering-Adressen in Berlin und durfte fast alle Empfänge des Berliner Senats für Staatsgäste versorgen, zum Beispiel auch Queen Elizabeth II. und Prinz Louis Ferdinand von Preußen. Wir hatten eine schöne Wohnung in der Hausgemeinschaft von Hartmut Neumann in der Winfriedstraße in Zehlendorf, und Wolfgang war beim Johannischen Chor als „Mozartknabe“ aufgenommen worden.

… ändern sich Und dann kam Pegnitz… der Schönhof….die Flüchtlingsarbeit, über die wir an anderer Stelle berichten werden…

Quellenangabe: Aus den Erinnerungen von Renate Steinhagen, Bearbeitung Christiane Sternsdorff und Team Renate%20K%C3%BCMeister1977-2 Wallat%20K%C3%BCMeister2