Renate Steinhagen erinnert sich (Teil II)

Gemeindebrief
von Renate Steinhagen
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Aber wie das so ist: Erstens kommt es und zweitens anders als man denkt. Inzwischen gab es in Franken den Schönhof, und das Kirchenoberhaupt bewegte die Gedanken, dort auch eine Gastronomie zu etablieren. Das erste Zeltlager wurde 1977 durchgeführt unter dem noch heute verwendeten Motto „Johannnische Jugend bedeutet glückliche Freizeit“2 , und ich durfte Karin Schätzle nach einer Woche als Lagerköchin ablösen. Es war eine tolle Erfahrung, ich bekam auch ein Zertifikat. .

Dann wollte Schwester Friedchen 1981 ihren 70. Geburtstag in Gößweinstein feiern. Die Crew vom „Frommen Löffel“ durfte das Menü für die Festgäste kochen und natürlich auch an den Feierlichkeiten teilnehmen. Es war ein richtiger Betriebsausflug, alles von Chef Walter Schätzle organisiert. Geschwister und Einheimische trafen sich in einem Festzelt hinter der Schule von Gößweinstein. Es war für uns natürlich ein ganz großes Erlebnis, aber für meinen Wolfgang und mich bahnte sich auch eine Wende in unserem Leben an. Einer der Gäste war Konrad Löhr, stellvertretender Landrat des Landkreises Bayreuth und Bürgermeister von Pegnitz. Er saß mit am Ehrentisch von Schwester Friedchen beim Essen, das im Stempferhof 3 stattfand. Dabei lud er sie anlässlich seines Geburtstags am nächsten Tag zu einem Empfang im Rathaus von Pegnitz ein. Im Laufe der Gespräche klagte er ihr sein Leid: Das Restaurant der Stadt am Freizeitzentrum brauche einen neuen Pächter. Sie waren sich beide gleich sympathisch, und im Lauf der Gespräche kam heraus, dass Herr Löhr im Krieg eine Zeitlang in der Friedensstadt 4 gewesen war. Schwester Friedchen erzählte ihm von uns und erwähnte, dass wir – um uns auf den Schönhof vorzubereiten – eine Gastronomie in der Fränkischen Schweiz suchen. Es kam, wie es kommen sollte: am 15. Mai 1981 war Wiedereröffnung des Restaurants im Freizeitzentrum Pegnitz.

Von Preußen nach Franken

Wie Recht Schwester Friedchen mit dem Rat hatte, Erfahrungen in Franken zu sammeln! Viele Katastrophen sind passiert, viele Fehler wurden gemacht, aber trotz allem sind wir echte Pegnitzer mit preußischem Dialekt geworden.

Zehn Jahre Schule im St.-Michaels-Heim bei Walter Schätzle und immer unter den Fittichen von Schwester Friedchen haben mir die Kraft gegeben, das neue Kapitel in unserem Leben aufzuschlagen. Vor allem habe ich gelernt, mit allen Dingen sparsam umzugehen, wenig wegzuwerfen. Dinge, die im Großmarkt übriggeblieben und daher preiswert waren, ergaben Dank der „Schnippelschwestern“ 5 im St.-Michaels-Heim ein gutes Lebensmittel zur Weiterverarbeitung.

Für die Pegnitzer waren wir der totale Missgriff des Bürgermeisters: Falsche Konfession, nicht verheiratet und Preußen! Schwester Friedchen hat auch gleich Sonntagsgottesdienste bei uns angesetzt um 9:00 Uhr. Um 10:00 Uhr kam immer der Stammtisch, beim Warten vor der Tür haben sie sicherlich oft noch das letzte „Amen“ mitbekommen. Männer- und Frauengruppen, Gruppenleiter-, Gemeindeleiter- und Missionshelfertreffen und was das Kirchenleben sonst noch zu bieten hat, Jugendleiter, Zeltlagergruppen, Kinderwandergruppe (JoKiWa) - alle durften im Freizeitzentrum zu Gast sein. Natürlich auch Schwester Friedchen bei ihren Besuchen in Gößweinstein, und auch einige Prediger aus der DDR durften wir bewirten bei deren offiziellen Dienstreisen in „den Westen“. Es war immer eine Belebung, aber auch viel Stress, denn man wollte sie ja besonders erfreuen. Dank der guten Küche von Wolfgang und der etwas streitbaren Wirtin kamen auch immer mehr Vereine und Gruppen. Fast alle großen Feierlichkeiten fanden bei uns statt: Silvester, Fasching, Kommunion, Konfirmation, Geburtstage, Bürger-versammlungen. Dann haben wir uns auch noch getraut, ein verschollenes Traditions-fest wieder ins Leben zu rufen: den Flinderer, ein Starkbierfest mit frisch geschlach-teten Wurst- und Fleischspezialitäten, der eine Woche lang dauert. Wir haben die Prüfung bestanden. Auch die Herausforderungen mit dem Eisstadion, den Eishockey-spielen, dem Freilaufzeiten auf der Eisbahn und natürlich im Sommer den Freibad-betrieb mit seinen wetterbedingten Tücken haben wir gemeistert. Viel Hilfe bekamen wir aus unserer Gemeinde Gößweinstein, und bei besonderen großen Aktionen reisten auch ehemalige Kolleginnen und Kollegen aus dem St.-Michaels-Heim an. efvsvr

Maschinenhalle? Festhalle!

Auf dem Schönhof 6 entstand die große Maschinenhalle. Im Juni 1984 wurde dort ein Männertag gefeiert mit ca. 300 Teilnehmenden und mit Catering durch uns. Bei einem späteren gemeinsamen Essen mit Schwester Friedchen und Ewald Müller wurde uns die Frage gestellt, ob wir es uns zutrauen würden, das Erntedankfest auf dem Schönhof gastronomisch zu gestalten. Bislang war es immer von einem Nürnberger Festwirt ausgerichtet worden. Wer kann da schon „Nein“ sagen! Wir jedenfalls nicht, aber als wir wieder zu Hause waren, hätten wir es lieber doch getan, aber nun war es zu spät!

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Ewald Müller ersteigerte das Equipment bei Auktionen, die das Berliner Landesamt für Besatzungslasten (so etwas gab es einmal) in unregelmäßigen Abständen durchführte, Hans-Georg Heinrich nutzte Kontakte zu Hertie (auf etlichen Tellern ist heute noch der Schriftzug dieser Firma zu lesen), und „Tante Paula“, Inhaberin des Reisebüros Berolina, spendierte Stofftischdecken. Die gibt es noch heute. Ehrenamtliche Helfer räumten die Halle aus, alles wurde verkabelt und elektrifiziert, die Beleuchtung wurde konstruiert, eine großartige Dekoration mit frischen Blumen wurde von Uli Sternsdorff und vor allem seinem ehemaligen Klassenkollegen Rolf Kriegsmann aus Berlin geschaffen. Versorgungsstände wurden gebaut, Biertisch-garnituren bei einer Brauerei organisiert.

Zubereitet und gekocht wurde alles im Freizeitzentrum Pegnitz, viele Helferinnen und Helfer reisten an, unter anderem die Familie Greif, die die Fleischbearbeitung übernahm. Täglich wurde zwischen Pegnitz und Eichenbirkig vielmals hin und her gefahren, alles Brauchbare und Benötigte kam zum Schönhof. Es war 1984, und es war Dank der vielen helfenden Hände eine schöne Veranstaltung. Alle Reste wurden noch am Sonntag wieder nach Pegnitz gebracht. Schwester Friedchen hatte alle Helferinnen und Helfer zu 17 Uhr zu einem „Hock“ 7 eingeladen.

Die nächsten Tage waren bestimmt vom großen Aufräumen, und irgendwann sah alles so aus, als wäre nichts passiert. Das normale Leben hatte uns wieder.

Wiederbelebung

Nach einigen Erntedankfesten und Geburtstagsfeiern des Kirchenoberhauptes (im Februar bei Eis, Schnee und Kälte!) waren wir verrückt genug, uns die Wiederbelebung der Pegnitzer Kirchweih auf die Fahne zu schreiben. Unterstützt wurden wir vom Pegnitzer Eissportverein EVP, dessen Kerwabuben auch den Kerwabaum aufstellten. Es gab ein Festzelt für 2.000 Personen, fünf Tage lang wurde gefeiert mit einem Seniorentag zu Anfang und einem Beatabend am Freitag, mit guten Kapellen am Samstag, Sonntag und am Kirchweihmontag. Das Zelt war festlich geschmückt, auf den Tischen auf Tante Paulas Tischdecken standen frische Blumen, es gab warme Speisen wie im Gasthof, und es wurde bedient. So etwas hatte Pegnitz noch nicht gesehen! Es war ein voller Erfolg. Drei Jahre wurde die Kerwa von uns so veranstaltet, wir waren gut etabliert, dann kam die Schönhof-Dämmerung!

Die nächste Herausforderung

Langsam näherte sich die Restaurierung des alten Wohn-Stall-Gebäudes, das die denkmalgeschützte die Keimzelle des Schönhofs ist, der Vollendung. Hier also sollte der Landgasthof Gut Schönhof entstehen. Es gab einen Arbeitskreis, der sich regelmäßig traf und alles diskutierte. Hier hatten Walter Schätzle als Küchenmeister und Siegfried Sonntag als Bauingenieur „die Hüte auf“.

Als die Personalfragen erörtert wurden, sagte Schwester Friedchen: „… und der Wolfgang soll kochen“. Margret und Martin Sander waren als Hausmeister bzw. für den Garten vorgesehen, und Conny Trampenau und Markus Moll sollten den Service übernehmen.
Ich war nicht vorgesehen! Das war für mich eine große Enttäuschung, war doch der Schönhof mein zweiter Traum. Alle Vorbereitungen wurden getroffen, Ostern 1988 sollte die Eröffnung sein, zu der auch eine Brigade an Helferinnen und Helfern aus ganz Deutschland kam. Meine Mithilfe war nicht erwünscht. Es war schwer zu verkraften. Zu allem Unglück lud mich Schwester Friedchen zum Eröffnungsabend ein, an ihrem Tisch zu sitzen. Es war fast das Schlimmste, was ich jemals erleben durfte. Wir saßen in der ersten Stube links am großen Tisch, ich mit dem Rücken zum Gang, so habe ich zum Glück nicht alles mitbekommen von den Katastrophen, die durch das nicht funktionierende Kassensystem passierten8 – ähnlich wie bei der Eröffnung in Pegnitz.

Auch das wurde überstanden und pendelte sich langsam ein. Nicht nur der Einkauf, sondern auch die Speisekarte wurde von Berlin aus vorgegeben, daher war diese den Gästen etwas fremd. Der Franke hat gewisse Vorstellungen, was er in einem Gasthof essen möchte. Es gab auch getrennte Speisekarten für die Stuben, den Thekenraum und den Biergarten mit anderen Gerichten und anderen Preisen. Die Gäste wollten aber gerne von allen Karten bestellen, egal wo sie saßen. Wie allgemein üblich kamen an manchen Tagen fast keine Gäste und an anderen dafür sehr viele. Conny und Markus hatten fast keine Erfahrung damit, und Wolfgang in der Küche war es gewohnt, dass alles von mir durchdacht und organisiert wurde. Er wollte kochen und sonst nichts! Ich durfte nur heimlich helfen, war ja auch in Pegnitz noch in meinem Restaurant eingespannt. Pfingsten muss das absolute Chaos gewesen sein!

Ich bekam einen Anruf von Siegfried Sonntag; wir hatten ein langes Gespräch und kamen überein, dass ich die Mannschaft unterstützen darf. Nach und nach spielte sich alles ein, und ich beendete im September 1989 die Bewirtschaftung des Restaurants in Pegnitz und durfte nun immer für den Schönhof da sein.

Wir haben auf dem Schönhof als Team viel bewegt und langsam die Richtung gelernt, um allem gerecht zu werden9. Schwester Friedchen war unser bester Stammgast, und da man schon von Weitem sehen konnte, wenn Ewalds Auto den Berg heraufkam, gab es bald das geflügelte Wort „Rat mal, wer zum Essen kommt“. Wolfgangs Kopf rauchte dann sofort, er überlegte, was er ihr empfehlen konnte. Wenn sie ging, sagte sie oft: „Wenn ich einen Hut aufhätte, würde ich ihn vor dir ziehen.“