Zwiegespräch

Gemeindebrief
von Norbert Teschke I Bild: Envato Elements
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Aus dem Fenster blickend, sehe ich den Baum vor meinem Haus. Seine Blätter werden gelb und sie bewegen sich im Herbstwind. Durch das Laub fallen die Strahlen der Nachmittags-sonne auf mein Gesicht. Plötzlich vernehme ich eine Stimme: „Warum siehst Du so nachdenklich aus?“ Verdutzt antworte ich halblaut: „Bald wird es kalt werden. Die Sonne wird nur noch selten scheinen. Es wird nass und neblig sein und die Tage werden kürzer. Die dunkle Jahreszeit wird uns Menschen beherrschen und uns traurig machen.“ „Glaubst Du, dass Du das zulassen musst?“ höre ich die Stimme wieder. Mir wird etwas mulmig, denn ich sehe meinen Gesprächspartner nicht.

„Meine Aufgabe ist,“ höre ich, „der Welt Licht und Wärme zu spenden. Ich sehe täglich die Menschen auf der Erde: ich sehe den Wohlstand in Deinem Land und die Armut in vielen anderen Gebieten. Ich sehe die Katastrophen durch Stürme und ein Zuviel an Wasser, und ich sehe die Dürre. Beides bringt den Menschen Not und Verzweiflung. Ich sehe Menschen, die Kriege führen und solche, die sich um den Frieden bemühen. Und ich sehe das, seit Gott mich erschaffen hat. Ich war dabei, als Moses auf dem Sinai die Gesetzestafeln erhalten hat, ich war dabei, als der Christus Gottes den Menschen auf einen kleinen Hügel den besten Lebensweg verkündigt hat, ich war dabei, als Joseph Weißenberg mahnte, umzukehren oder unterzugehen.“ „Aber -“, will ich einwerfen, als ich höre: „Nicht die dunkle Jahreszeit, nicht die Natur bringt Traurigkeit und Unbehagen. Es ist der Mensch selber!“

Nachdenklich schließe ich die Augen und lasse das Gehörte auf mich wirken. Martin Luther sagte einmal: „Hass kann Hass nicht vertreiben, das kann nur die Liebe.“ Sollte das auch auf die Traurigkeit, auf das Unbehagen übertragbar sein? Kann der Mensch, kann ich, beide überwinden, indem ich mein Denken und Verhalten ändere? Aber wie soll das geschehen?

Ein junger Prediger erzählte, wie er den Tag beginnt. Er betet, noch bevor er morgens aufsteht, ein Vaterunser, er nordet sich ein auf alles, was der Tag ihm bringen wird. Diese positive Grundhaltung gegenüber den uns gestellten Aufgaben erleichtert ihm seinen Tagesablauf. Auf diese Weise steht das Gute und das Ungute unter einem positiven Anfang. In der kommenden dunklen Jahreszeit können wir daran denken, wie gut unser Leben ist. Wir haben genug zu essen, wir haben ein Dach über dem Kopf, wir leben in einer Gemeinschaft, die uns liebt und so annimmt, wie wir sind. Wir können unser Augenmerk auf unsere Nächsten richten, jenen Menschen Hinwendung schenken, denen es vielleicht nicht gut geht, wohlgemerkt, nicht nur zu Hause oder in der Kirche, sondern überall da, wo uns der Alltag hinbringt. Wir können Nächstenliebe im Kleinen schenken und werden überrascht feststellen, wie gut das auch uns tut. Wir dürfen erleben, dass die Saat der Liebe vielfältige Früchte erbringt.

„Du übernimmst gerade einen kleinen Teil meines Arbeitsfeldes!“ höre ich plötzlich, „Du verbreitest Licht und Wärme an andere! - Was willst Du denn für Dich tun?“

„Ich könnte,“ antworte ich, „ein kleines Licht anzünden. Die Kerze wird mir die Dunkelheit vertreiben und mich wohlig fühlen lassen. Und sie wird mich auf die Zeit des Advents einstimmen.“ „Ja, richtig. Ihr Menschen vergesst gerade in der heute so gehetzten Zeit, dass in der für euch dunklen Jahreszeit die Geburt des Sohnes Gottes gefeiert wird. Das Licht der Welt wurde geboren und Gott schickte den Verkünder der Nächstenliebe zu euch. Einen Funken dieses Lichtes hast auch Du in Deiner Seele. Lass daraus eine Kerze werden, die einen Teil Deiner Welt mit Wärme und Licht erfüllen kann, nicht nur im Winter eurer Zeit, sondern auch an jedem Tag des neuen Jahres!“

Mit diesen Worten verstummt die Stimme, Regenwolken haben den Himmel verdunkelt.

Aber mir und hoffentlich auch Dir steht ein weniger dunkler und trauriger Teil des Jahres bevor, denn wir selbst können Traurigkeit und Unbehagen überwinden, an jeder Stelle des Alltags für Licht und Wärme sorgen und so an einem Wachsen der Liebe mitarbeiten.